Ein Ort dazwischen
Schubhaftzentrum Vordernberg, Steiermark

Eines Tages wurde die Scheibe unseres Wiener Architekturbüros eingeschlagen. Ein Protest gegen den Bau eines Schubhaftzentrums im steirischen Vordernberg. Ja, wir haben dieses umstrittene Gebäude errichtet. Und wir sind stolz darauf, sofern man bei solchen Bauten überhaupt von Stolz sprechen kann.
Details
Fotografie
Hertha Hurnaus
Auftraggeber
Bundesimmobiliengesellschaft m.b.H.
Status
Realisiert
NGF
10.040 m²
Baukosten
18,6 Mio. €
Auszeichnungen
Architekturpreis des Landes Steiermark 2016, Nominierung; ECOLA Award, Nominierung

Etwas ändern
Wir hätten mit unseren KritikerInnen gerne gesprochen, denn wir sind der Meinung, dass sich fortschrittliche Architektur auch dem Bau repressiver Einrichtungen stellen muss. Wir glauben, dass wir uns auch jenen Fragen stellen müssen, die eigentlich nicht zu beantworten sind. Etwa, wie ein humanes Abschiebeverfahren aussehen kann.

»Wir können als ArchitektInnen zwar nicht das Fremdengesetz ändern, aber die Haftbedingungen jener, die davon betroffen sind.«


Gegenteil von Gefängnis
Auch Schubhaftzentren dürfen unserer Meinung nach keine architektonischen Unorte, keine billigen Container mehr sein. Die Menschen, die dort leben, haben ebenso ein Recht auf ein Leben in Würde. Schubhäftlinge haben ja nichts verbrochen, sondern sind lediglich ohne Papiere im Land. Dennoch sitzen sie – etwa in Wien – noch immer in dunklen Polizeikottern aus der Kaiserzeit, oft unter unerträglichen Bedingungen, wie Strafgefangene.
»Schubhaftzentren dürfen keine architektonischen Unorte sein.«

Offen und menschlich
Unsere Aufgabe war es, den Aufenthalt von „Schubhäftlingen“ so erträglich wie möglich zu gestalten. Wir wollten auf alles verzichten, was nach Strafe riecht. Wir haben – im Rahmen der uns vorgegebenen Gesetze – sehr radikal gedacht und die Bundesimmobiliengesellschaft und das Innenministerium unterstützte uns dabei. Wir wollten das Gegenteil von Gefängnis bauen: statt Gitter, Zellen und einem Gesperre haben wir auf 6.500 m² zwölf offene Wohngruppen geschaffen.

Blick auf Bach und Berg
Die Menschen, die hier leben, können auf Bach und Berg blicken und dürfen sich in Aufenthaltsräume oder kleine Wohnhöfe zurückziehen, in denen Felsenbirnen blühen. Die Zellen, die wir Zimmer nennen, haben nichts von einem Gefängnis. Die Wände sind mit Seekiefer verkleidet, das Material wirkt auch dann noch wohnlich, wenn es beschädigt wird. Statt Gittern haben wir raumhohe Fixverglasungen eingebaut, die mit zehn Zentimeter dünnen Lüftungsflügeln ausgestattet sind. Der Verwaltungstrakt dient als Mauer, lässt aber Einblicke der Öffentlichkeit in das Anhaltezentrum zu.
»Zimmer statt Zellen.«

Begegnung auf Augenhöhe
Wichtig waren uns bei den Planungen des 10.000 Quadratmeter großen Areals aber nicht nur die Insassen, sondern auch die BetreuerInnen.
Die Wachleute sollten nicht abgeschottet von den Abzuschiebenden arbeiten, sondern im täglichen Kontakt zu jenen Personen stehen, die hier festgehalten, aber auch beraten und beschützt werden. Die Inhaftierten hier sollten für das Personal keine Nummern mehr sein, sondern Bürger, die bewacht werden, ehe es in eine ungewisse Zukunft geht. Und das ist der Brief, den wir an die KritikerInnen des Projektes geschrieben haben.
»Die Inhaftierten sollen keine Nummern, sondern sichtbar sein.«
Auftragsart
EU-weit offener Wettbewerb
Auftraggeber
Bundesimmobiliengesellschaft m.b.H.
Realisierung
2011–2013
BGF
11.060 m²
Auftragsumfang
Generalplanung
Ort
Vordernberg, Steiermark
Status
Realisiert
Baukosten
18,6 Mio. €
Planung
2010–2012
NGF
10.040 m²
MitarbeiterInnen
Marco Bumeder (PL), Monika Liebmann (PL) , Sylvia Urban (PL), Barbara Wagner, Thomas Karl, Ania Korotarz, Lukas Mahlknecht, Laura Scharf, Ulrike Straube, Simon Treml, Marie Vigne, Margitta Wagner, Arnold Wilfing, Christoph Windsperger
Auszeichnungen
Architekturpreis des Landes Steiermark 2016, Nominierung; ECOLA Award, Nominierung
Statik
kppk ZT GmbH
Bauphysik
kppk ZT GmbH
Gebäudetechnik
Zentraplan Planungsges.mbH
Lichtplanung
Christian Ploderer
Landschaftsplanung
Rajek Barosch Landschaftsarchitektur
Brandschutzplanung
Norbert Rabl ZT GmbH
Medizintechnik
ZT Mader
Leitsystem
Studiozwei - Agentur für Kommunikationsdesign
Kostenmanagement
Buchegger 7 Baumanagement GmbH
Fotografie
Hertha Hurnaus