Verwunschener Schupfen

Haus Leopold im Wienerwald, Niederösterreich

Die Handwerker im Dorf wollten den schwarzen „Schupfen“ (Scheune) aus dem 1934er-Jahr eigentlich abreißen: Zugig, verwittert, vom Holzwurm zerfressen sei er. Doch uns gefiel das schwarze Nebengebäude zum Wienerwald-Mansardenhaus, das wir zuvor radikal und respektvoll renoviert hatten. Das Besondere an diesem Projekt ist die Wertschätzung, die dem alten Wirtschaftsgebäude im Schatten der Wienerwald-Villen entgegengebracht wurde. Keller oder gar Garagen konnte sich damals in den Dreißigern nicht jeder leisten. Also zimmerte man Schuppen, wo die BewohnerInnen Holz lagerten, Hasen züchteten, Wäsche auskochten und am Dachboden trockneten.

Details

Photography

Andreas Buchberger, Veronika Hofinger

Client

Privat

State

Realisiert

Net Usable Floor Area

130 m²

»Ein altes Wirtschaftsgebäude wurde zur Schreibwerkstatt, Gästelaube und Kinderparadies«

Magischer Rückzugsort

Die Wirtschaftsgebäude verloren in den vergangenen Jahrzehnten ihren Sinn, viele fallen zusammen. Doch das ist schade. Zu kleinen gemütlichen „Sheds“ ausgebaut, dienen sie heute als magische und erschwingliche Rückzugsorte für die Familie oder ihre Gäste. Wir setzten also auf der Breitseite des Dachbodens eine großzügige Glasscheibe ein, dämmten den Dachstuhl behutsam und verkleideten die Wände mit grau lasiertem Fichtenholz. Eine Erhöhung wurde gepolstert, so kann der Raum auch als abenteuerliches Gästezimmer dienen.

Eichkätzchen beobachten

Eine Falltüre aus edlem Messing verschließt den verwunschenen Ort, von dem aus die Eichkätzchen in den Baumkronen beobachtet werden. Unten stehen weiterhin Gartengeräte, Rasenmäher und Obststeigen, oben wird es wohnlich. Das Messing wird abends angestrahlt, das gibt ein gemütliches Licht – auch im eiskalten Winter, wo das unbeheizte Refugium zum Ausdampfen nach dem Saunagang dient. Gelüftet wird der Schupfendachboden über ein bereits bestehendes Fenster und kleine Lüftungsluken, die an der Seite eingebaut werden. Das Dach haben wir nicht angefasst.

»Das Dach ist voller Moos. Das gefällt uns.«

Die Villa

In den 1950ern war die Villa das Wochenendhaus einer typisch bürgerlichen Familie im Nachkriegsösterreich. Gemütlich saßen sie in der damals obligaten Zirbenstube zusammen, daneben knisterte der Kachelofen, darüber bogen sich schwere Deckenbalken. Das Leben war gemütlich, aber auch dunkel. Am Tisch stand der schmiedeeiserne Weinspender. Wir gaben zu verstehen, dass Stube und Kachelofen nur noch Ballast der Vergangenheit waren und deuteten zart an, dass das Haus mit rustikalem Kitsch überfrachtet war. Wo aber setzt man mit der Dekonstruktion an? Wo muss Altes respektiert, wo Neues radikal hinzugefügt werden? Wir spürten mit dem Auftraggeber, dass es andere Elemente waren, die das Gebäude fortan prägen sollten. Diese knorrigen Apfelbäume, die hinter dem Haus blühten. Die alten blutwurstroten Terrazzo-Böden, die wie Pompejische Schätze unter grauen Fliesen begraben waren. Der rutschige Holzboden. Die alten Kastenfenster. Erste Skizzen zeigten neue Wege und Blickachsen durch den Obstgarten sowie idyllische Plätze, die noch niemand entdeckt hatte. Wir gaben dem Haus eine neue, offene Struktur, ein neues Raumkonzept.

»Wer ein Haus renoviert, also die Geschichte eines Lebensraums fortsetzt, der muss ein guter Rechercheur und Erzähler sein. Und wer Hand anlegt an einen alten Bau, der braucht einen Architekten, der gut zuhören kann.«

Unser Auftraggeber

Wir setzten nur zwei radikale Schritte: Wir ließen eine Außenwand wegstemmen und durch eine großzügige, aber kostengünstige Glasscheibe ersetzen. Aus drei kleinen dunklen Zimmerchen machten wir ein großes, helles, loftartiges, das nun den Blick freigab auf Obstbäume und Magnolie, auf das Bassin aus den Fünfzigern und den mit Carbolineum geölten Schuppen. In kleinen Nebenräumen spielen nun Kinder, auf einer gepolsterten Fläche fläzt sich die Familie, die Küche ist offen und abgesetzt zugleich.

Schuppen und Haus wurden mit einer schwebenden Lärchenholzterrasse verbunden, die wie ein offenes Wohnzimmer den Garten überblickt und dort kreisrund ausgeschnitten wurde, wo die alten Ontario-Apfelbäume stehen. Wenn die Kinder nun rausschauen aus dem spektakulären Fenster, sehen sie die Kronen der Obstbäume, die von unten beleuchtet werden.

Welches Spektakel sich hier nun zu jeder Jahreszeit offenbart! Wie fein die Strukturen verschneiter oder blühender Äste und heranwachsender Früchte sein können. Eine Kulisse, die immer schon da war, aber nie entdeckt wurde. Das Haus entfaltet auf einmal jene Magie, die schon die Vorfahren suchten. Durch die große Scheibe wird sie Teil des Hauses.

»Sie erzählt die Geschichte dieser Sommerfrische neu.«

Grundriss Obergeschoß

Lageplan

Index/Count
Type Of Commission

Direktauftrag

Client

Privat

Construction

2015–2016

Scope Of Commission

Generalplanung und ÖBA

Location

Eichgraben, Niederösterreich

State

Realisiert

Design

2015

Net Usable Floor Area

130 m²

Team

Anna Ladurner (PL), Michael Eder (PL), Ulrike Straube

Structural Engineer

DI Margarete Salzer

Building Physics

DI Andreas Perissutti

Photography

Andreas Buchberger, Veronika Hofinger